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Das Geheimnis von „friluftsliv“

Outdoor-Lifestyle auf die norwegische Art

Mit vier Jahren hat Mina bereits 300 Nächte in einem Zelt verbracht.

„Was mir an unseren Ausflügen am besten gefällt, ist tanzen, spielen und Geschichten erzählen. Und Zeit mit Papa verbringen“, so Mina Floriana.

Mit Papa, auch bekannt als Outdoor-Enthusiast Alexander Read, hat die Vierjährige bereits fünf Gipfel über 2000 Meter bestiegen und Hunderte Kilometer zu Fuß zurückgelegt.

„Die magischen Momente sind normalerweise nicht die seltenen Naturwunder, sondern die vielen kleinen Erlebnisse. Dinge, die alles andere als spektakulär sind, aber auf einer Höhe von 1400 Metern etwas ganz Besonderes werden“, sagt Read.

Ein ungewöhnlicher Lebensstil

Norwegen wird immer wieder als eines der glücklichsten Länder der Welt eingestuft. Als Erklärung dafür wird oft die Verbundenheit zur Natur genannt. „Friluftsliv“ wurde 1859 von dem norwegischen Dramatiker und Dichter Henrik Ibsen eingeführt. Er verwendete den Begriff, um den Wert des Zeitvertreibs an abgelegenen Orten für das geistige und körperliche Wohlbefinden zu beschreiben.

Es ist eine Mischung aus den norwegischen Wörtern für Freiheit (frihet), Luft (luft) und Leben (liv) und bedeutet so viel wie „Lebensstil im Freien“. Heute kann es alles sein, von einer kurzen Wanderung oder einem Picknick im Wald bis zu einer Kanufahrt oder einer Nacht im Zelt – Hauptsache draußen. Friluftsliv steht nämlich auch in Zusammenhang mit der Heilkraft der Natur.

Diese Kraft war auch einer der Gründe, warum sich Read und Töchterchen Mina auf ein längeres Abenteuer einließen. Read hatte 2018 nach einer Umstrukturierung seine Arbeit verloren.

Da er sein ganzes Leben lang viel Zeit in den Bergen verbracht hatte, beschloss er, aus seiner Situation etwas Positives zu machen. Als erfahrener Wanderer, der schon viele Touren hinter sich hatte, war er von einer Expedition überzeugt und Mina, die damals erst zwei Jahre alt war, sollte ihn dabei begleiten.

„Wegen ihrer Arbeit kann Minas Mutter sie nicht in den Kindergarten bringen und abholen. Es war daher von Anfang an klar, dass Mina mit mir kommen würde. Und das hat es noch spannender gemacht“, sagt Read.

Das Duo begann das Abenteuer mit einer 57-tägigen Winterreise von Vest-Agder nach Jotunheimen.

„Plötzlich hatte ich eine Bergführerin dabei, die mir ein Tor zu einem bisher unbekannten magischen Königreich öffnete“, so Read.

Zwei Jahre später waren es bereits Dutzende von Expeditionen, bei denen Read und seine Tochter teilweise auch Geld für wohltätige Zwecke sammelten. Sie drehten Dokumentarfilme und Kinderfernsehprogramme und wurden für mehrere Preise nominiert.

2019 wurden sie zu „Årets Villmarkinger“ (Wildnismenschen des Jahres) gekürt.

Sie können die kurzen und langen Expeditionen des Vater-Tochter-Duos auf ihrer Instagram-Seite Mina og meg verfolgen. Hier erhalten Sie einen Einblick in den „Alltag“ in den Bergen und die magischen Momente zwischen Vater und Tochter beim Wandern.

Die einzige, die die Beiden immer begleitet, …

… ist Puppe Laura.

„Laura ist Minas Begleiterin. Sie hat mehr Wanderungen unternommen als viele Menschen in ihrem Leben“, sagt Read.

Mina und ihr Papa glauben an Magie. Sie halten die Natur für einen ausgezeichneten Ort, um sich kennenzulernen. Selbstverständlich glauben sie auch an Trolle.

„Trolle haben große Augen, Ohren, Füße und Hintern. Sie sind glatt wie Steine und haben einen Schwanz. Sie sind nett, aber sie sehen nicht immer nett aus“, erklärt Mina.

„Wir leben in einer Gesellschaft, die über bessere Kommunikationsmittel verfügt als je zuvor. Gleichzeitig sind wir möglicherweise weiter voneinander entfernt als je zuvor. Ich denke, wir alle sollten auf Troll-Jagd gehen“, sagt Read.

Die Natur als Spielplatz

Mina und ihr Papa schwimmen in Bächen, springen von Felsen, essen in Gesellschaft von Raufußhühnern zu Mittag und beobachten Elsa und Anna von Die Eiskönigin im Fernsehen. Das Fernsehen, das Mina im Schnee kreiert.

Sie singen gemeinsam „Hakuna Matata“ und „Lass jetzt los“, tanzen und erfinden Geschichten.

Leben in einem Zelt

Woche für Woche in einem drei Quadratmeter großen Zelt zu schlafen, kann manchmal eine Herausforderung sein, selbst für den leidenschaftlichsten Bergsteiger. Für das Vater-Tochter-Duo ist Camping zur neuen Normalität geworden.

„Es ist eine einfache und schöne Welt. Wenn wir auf engstem Raum zusammen sind, können wir es nicht vermeiden, uns miteinander zu beschäftigen und zu spielen“, sagt Read.

Sie lesen mit Puppe Laura Bücher und schauen sich oft Bilder von den zu Hause gebliebenen an: die Mutter, die kleine Schwester und die anderen Kinder im Kindergarten.

„Wir essen Süßigkeiten und spielen im Zelt Verstecken“, sagt Mina.

Gemeinsames Wandern

Read wird oft gefragt, wie er es schafft, Mina zum Wandern zu motivieren. Seine Antwort: „Es ist nicht möglich, ein Kind dafür zu motivieren, 160 Kilometer durch die Berge zu wandern.“

Der Trick besteht laut Read darin, die Reise zu einem gemeinsamen Projekt zu machen.

Der erste Schritt ist, zu sagen: „Wir machen gemeinsam eine Exkursion“ und nicht „Ich nehme die Kinder mit“.

Mina inspiziert die Landkarten, sagt, was sie tun möchte und entscheidet, welche Cartoons, Prinzessinnenkleider und Bücher auf die Reise mitkommen.

„Ich sage ihr aber schon, dass sie nicht zehn Bücher mitbringen kann, sondern zwei“, sagt Read.

Mit klaren Regeln gibt es nur wenige Streitereien.

„Ich habe die nötigen Rahmenbedingungen für Sicherheit, Flow und Dynamik festgelegt, aber ich habe mich auch darauf eingeschworen, Mina nach Möglichkeit Verantwortung und eine Stimme zu geben. Mina macht sich nicht die Mühe, über etwas zu streiten, von dem sie weiß, dass es nirgendwohin führt.“

Die Natur beherrschen

Mina weiß, wie man einen Campingofen vorheizt. Sie kann ein Zelt aufstellen und weiß über Schneegruben, Gletscherspalten und Lawinen Bescheid.

„Bei diesen Reisen geht es jedoch nicht in erster Linie um praktische Fähigkeiten. Es geht mehr darum, sich in der Natur kennenzulernen“, sagt Read.

Die größte Herausforderung

Die Beiden mussten sich schon durch Winde von 20 Metern pro Sekunde und Temperaturen von -25 Grad kämpfen.

Die größte Herausforderung beim Reisen mit Kindern ist laut Read jedoch etwas ganz anderes.

„Die praktischen Vorkehrungen müssen natürlich getroffen werden. Die größte Herausforderung ist aber, wenn ich es nicht lassen kann, ständig ein Erwachsener zu sein. Wenn ich müde werde, weil ich nicht auf mich selbst achte, kann ich nicht gleichzeitig Teil von Minas Welt sein – und das ruiniert etwas Grundlegendes.“

Denn genau das ist doch letztendlich der Sinn der Exkursionen: Zusammen sein.

„Sowohl Mina als auch ich sehen anders auf die Dinge, wenn wir unterwegs sind. Dann haben wir Zeit, uns auf alles zu konzentrieren“

Read bezieht sich auf den Philosophen Arne Næs und seine Vorstellung von kindlichen Freuden:

„Wenn ich mich hinsetze und anfange, die Beine der Ameisen oder die Anzahl der Kiefernnadeln in einem Ameisenhaufen zu zählen, und es sich vernünftig anfühlt, dann weiß ich, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Die Magie verbreiten

Read und Töchterchen Mina sind schon von Åndalsnes nach Beitostølen gefahren und haben mit Skiern den Nordry-Kamm überquert. 

Trotzdem gibt es nichts, was für die Beiden einen höheren Stellenwert hat, als mit Mutter Kristin und der einjährigen Lijle Olava kleine Abenteuer zu Hause zu erleben.

„Auf kurzen wie langen Reisen eine Verbindung zwischen Natur und dem Leben herzustellen, ist eine Entscheidung, die Kristin und ich gemeinsam getroffen haben“, sagt Read.

„Wenn Mina und ich mehr Erwachsene und Kinder dazu bringen können, nach draußen zu gehen und nach Trollen zu suchen, bin ich froh.“

Dafür muss man auch gar nicht zwei Monate am Stück in den Bergen verbringen.

„Bei unseren Reisen geht es nicht um große Ziele, sondern darum, was genau hier und genau jetzt passiert.“

Und genau darum geht es bei der Heilkraft von „Friluftsliv“.

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